Das Strafbefehlsverfahren soll ausgeweitet werden

Der Strafbefehl, das Strafbefehlsverfahren

Der Strafbefehl ist eine strafgerichtliche Entscheidung, die – im Strafbefehlsverfahren – anstelle eines Strafurteils ergehen kann. Es handelt sich beim Strafbefehlsverfahren um ein schriftliches Verfahren, das „summarisch“ ohne Hauptverhandlung (und deren Beweisaufnahme) auskommt und dient der beschleunigten Verfahrenserledigung. Ursprünglich für die vereinfachte und beschleunigte Erledigung von Bagatellkriminalität gedacht, die in den Zuständigkeitsbereich des Strafrichters beim Amtsgericht fällt, wurde der Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens in den Strafrechtsänderungsgesetzen von 1979 und 1987 sukzessive erweitert und seine Bedeutung für die Praxis erheblich gesteigert.

Nach aktueller Rechtslage können im Strafbefehlsverfahren im Höchstmaß Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt werden, wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird und der Angeschuldigte einen Verteidiger hat oder ihm spätestens mit Erlass des Strafbefehls vom Gericht ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Geldstrafen sind im Fall von Gesamtgeldstrafen bis zu einer Höhe von 720 Tagessätze möglich. Damit hat das Strafbefehlsverfahren inzwischen auch für die Ahndung mittlerer Kriminalität erheblich an Bedeutung gewonnen.

Strafbefehl erhalten Rechtsanwalt Einspruch

Die Staatsanwaltschaft schließt ihr Ermittlungsverfahren mit einem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls an das Amtsgericht ab, wenn sie sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich erachtet (§ 407 Abs. 1 S. 2 StPO). Nr. 175 Abs. 3 S. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren (RiStBV), die sich insbesondere an die Staatsanwaltschaft richten, ergänzt diese Regelung und regt an:

» Im übrigen soll von dem Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls nur abgesehen werden, wenn die vollständige Aufklärung aller für die Rechtsfolgenbestimmung wesentlichen Umstände oder Gründe der Spezial- oder Generalprävention die Durchführung einer Hauptverhandlung geboten erscheinen lassen.

Diese Formulierung macht deutlich, dass das Strafbefehlsverfahren in den dafür gesetzliche vorgesehenen Fällen die Regel sein soll.

Vorschlag zur Neuregelung: Mit Strafbefehl zwei Jahre Haft zur Bewährung

Die Herbstkonferenz der Justizminister im November 2022 strebt nun eine weitere Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens an und will

» vor dem Hintergrund der hohen Arbeitsbelastung der Strafjustiz und der Zunahme der durchschnittlichen Verfahrensdauer in Strafsachen […] den Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens maßvoll [erweitern] […]

indem

» die Festsetzung einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, im Strafbefehlsverfahren künftig ohne Höchstmaß zugelassen und der Erlass eines Strafbefehls in geeigneten Fällen auch in Verfahren vor dem Landgericht und bei Verbrechen ermöglicht werden […].

Das würde bedeuten, dass im Strafbefehlsverfahren, ohne Hauptverhandlung per Post, Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren auf Bewährung verhängt werden könnten, wenn der Angeschuldigte einen (Pflicht-) Verteidiger an seiner Seite hat.

Strafbefehlsverfahren ausweiten? Strafverteidiger sehen das kritisch

Die Justizministerkonferenz nennt diese eine maßvolle Ausweitung des Strafbefehlsverfahrens. Aus Verteidigersicht kann von maßvoller Ausweitung keine Rede sein. Denn die Pläne können den Angeschuldigten letztlich im Falle kurz aufeinander folgenden Strafbefehlen mit Freiheitsstrafen durchaus ins Gefängnis bringen. Und zwar ohne, dass sich ein Richter in einer öffentlichen Hauptverhandlung ein eigenes Bild von ihm oder den ihn belastenden Beweismitteln machen konnte und eine Strafe entsprechend dieses Eindrucks bemessen konnte. Es ist aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, dass dies das Ergebnis eines Verfahrens sein könnte, in dem die Verfahrensrechte des Angeschuldigten von vornherein erheblich eingeschränkt sind.

Ohne die Ausweitung der Rechte des Betroffenen im Gegenzug zum geplanten erweiterten Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens ginge die angestrebte Entlastung der Justiz (erneut) einseitig auf Kosten der Betroffenen und wäre schon aus diesem Grund rechtsstaatlich zweifelhaft.

Strafbefehl erhalten?

Wenn Sie einen Strafbefehl erhalten haben, sollten Sie überlegen, sich kurzfristig beraten zu lassen. Die Einspruchsfrist ist kurz und beginnt mit der Zustellung. Ist sie abgelaufen, wird der Strafbefehl rechtskräftig. Sie wollen sich zu einem Strafbefehl beraten lassen? Melden Sie sich gern!

Weitere Informationen finden Sie hier: Strafbefehl