Besorgnis der Befangenheit zu Gunsten des Angeklagten

Kommende Woche, am 27.03.2014, befasst sich der 3. Strafsenat (Staatsschutzsenat) des Bundesgerichtshofs erstmals in einer Revisionsentscheidung mit der im Jahre 2009 in das Strafgesetzbuch eingefügten Strafvorschrift des § 89a StGB.

In der Instanz hat das Landgericht Frankfurt am Main den Angeklagten wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) in Tateinheit mit fahrlässiger Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Das Landgericht war der Auffassung, der Angeklagte habe Hass- und Rachegefühle gegen die westliche Welt gehegt. Er habe sich entschlossen, eine Sprengvorrichtung herzustellen, und setzte dieses Vorhaben in die Tat um. Einen konkreten Einsatzzeitpunkt und –ort habe er für die Sprengvorrichtung nicht bestimmt; sein Vorsatz soll jedoch gewesen, die Vorrichtung in der Öffentlichkeit zum Einsatz zu bringen und dadurch eine unbestimmte Anzahl von Menschen zu töten. Als er Leuchtkugeln aus Feuerwerkskörpern zerkleinerte und mit weiteren Substanzen vermischte, sei es zu einer Explosion gekommen, bei der er Verbrennungen erlitt und Sachschaden entstand.

Mit seiner Revision macht der Angeklagte geltend, § 89a StGB sei verfassungswidrig. Zudem beanstandet er die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts.

Im Vorfeld der Revisionsverhandlung hat der 3. Strafsenat nun beschlossen, dass einer seiner Mitglieder, Richter am Bundesgerichtshof Herbert Mayer, wegen der Besorgnis der Befangenheit nicht weiter an diesem Verfahren mitwirken wird.

§ 24 StPO
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) […]

Was war passiert? Aus dem Beschluss des 3. Strafsenats des BGH (Beschluss vom 04.02.2014, 3 StR 243/13) ergibt sich, dass Richter am Bundesgerichtshof Mayer im Januar eine dienstliche Erklärung abgegeben hat, in der er gemäß § 30 StPO Umstände angezeigte, die aus seiner Sicht geeignet seien, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit – zu Gunsten des Angeklagten – zu rechtfertigen. Zur Begründung hat er auf sein Interesse an chemischen und physikalischen Fragen sowie dem Islam einschließlich theologischer Erklärungen eines früheren führenden Mitglieds der Al Qaida hingewiesen.

Mayer kommt in seiner Erklärung zu dem Schluss, dass er selbst nach den Maßstäben des Landgerichts Frankfurt bei einer Gesamtschau der von ihm angezeigten Umstände einer Tat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verdächtig sein könnte.

Weiter führt er aus, er könne „auch aus persönlichen Gründen die Vorschrift deshalb nur dann für verhältnismäßig und damit für verfassungsmäßig halten, wenn sie den Nachweis der Vorbereitung einer mindestens bereits nach den Maßstäben des § 30 StGB konkretisierten Tat fordert.“

Diese Erklärung ließ den für Januar angesetzten Termin zur Revisionshauptverhandlung platzen und führte zum erwähnten Beschluss des 3. Strafsenats. Die persönlichen Gründe, die der betroffene Richter für die Besorgnis eigener Befangenheit angegeben hat, gaben für die übrigen Richter den Ausschlag, sich seiner Sicht anzuschließen:

„Für die Besorgnis seiner Befangenheit entscheidend ist jedoch, dass er ausgeführt hat, er könne die Vorschrift des § 89a StGB „auch aus persönlichen Gründen“ nur unter bestimmten, von ihm näher dargelegten Voraussetzungen für verfassungsmäßig halten. Er hat damit in einer möglicherweise entscheidungserheblichen, zwischen den Verfahrensbeteiligten und im Schrifttum streitigen, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärten Rechtsfrage in eindeutiger Weise Stellung bezogen. Der unmissverständliche Inhalt sowie die sonstigen näheren Umstände der in dem konkreten, beim Senat zur Entscheidung anstehenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme – insbesondere der zur Begründung seiner Rechtsansicht mitherangezogene persönliche Hintergrund- lassen es aus der Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten als naheliegend erscheinen, dass Richter am Bundesgerichtshof M. sich sein Urteil in dieser Sache unabhängig vom weiteren Verfahrensgang, etwa von den Argumenten, die in der Hauptverhandlung von den Verfahrensbeteiligten vorgebracht werden, oder von Inhalt und Ergebnis der Senatsberatung, bereits endgültig gebildet hat. Damit ist aus der Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ein Grund gegeben, der Zweifel an der Unvoreingenommenheit von Richter am Bundesgerichtshof M. begründet.“

Damit ist nicht gesagt, dass Richter Mayer tatsächlich befangen ist. Darauf kommt es auch nicht an. Es genügt bereits, dass einer der am Verfahren Beteiligten Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dafür hat er gesorgt.